Last Updated on 23. November 2022 by Tarotwissen
Im Teil 1 meiner unregelmäßigen Tarotschule liest du, wie du das richtige Deck anschaffst. Heute weihe ich dich in die durchaus nicht einfache Kunst der Fragestellung ein. Die Texte meiner Tarotschule basieren auf dem Tarotkurs Basiswissen der Mantiker.
Nicht vielen Tarot-Interessierten ist bekannt, dass der berühmte Okkultist Aleister Crowley neben zahlreichen esoterischen Schriften, auch viele Gedichte und Dramen hinterlassen hat. Zwar fand der Schöpfer des Thoth Tarot für seine schöngeistigen Werke nie die ersehnte Anerkennung, doch sind sie für Kartenleger lehrreich. In einem seiner Dramen berichtet er beispielsweise von einer amüsanten Situation:
Eine Dame betritt erstmalig den Salon eines berühmten Astrologen und begegnet dem bohrenden Blick des Meisters. Bevor sie etwas sagen kann, erklärt der Mann mit Bestimmtheit, er wisse warum sie gekommen sei. »Madame sind besorgt wegen einer Herzensangelegenheit!« Natürlich ist die Dame von seiner hellseherischen Kraft höchst beeindruckt und gibt dies begeistert kund. Woraufhin der Astrologe seine überlegene Maske fallen lässt und erklärt, dass ihn 95 Prozent seiner Kunden wegen Liebesproblemen aufsuchen und er daher immer mit Wissen punkten kann, wenn er jede Sitzung mit derselben Feststellung eröffnet.
Sicher kannst du dir auch vorstellen, dass Crowley mit dieser Schätzung richtig liegt. Auch wenn in unseren unsicheren Zeiten immer mehr Menschen die Karten bezüglich Berufsthemen befragen — fast alle Menschen sind auch oder ausschließlich an ihren Liebesaussichten interessiert. Vielleicht, weil die Liebe so unvorhersehbar und kapriziös wie kein anderes Lebensthema ist? Die anderen großen Themenbereiche einer Kartensession — Gesundheit, Finanzen und Besitz – fallen da auf der Topcharts der Fragen hinter weit zurück. Doch ganz gleich was du oder die Menschen, denen du die Karten deuten willst, gerade bewegt: Die richtige Fragestellung ist dabei das A und O.
Erwartungen bei einer Kartenberatung
Gewöhnlich wollen Fragende die Zukunft erhellt bekommen, das Resultat einer Handlung garantiert haben oder Gewissheit darüber erlangen, ob ein bestimmtes Ereignis eintreffen wird. Die meisten Menschen fordern da eine klare Aussage, ein »Ja« oder »Nein« zu Problemen wie »Wird er mich anrufen?«, gesteigert höchstens noch durch die Frage »Wann ruft er an?« Letztere geht ja bereits davon ausgeht, dass der erhoffte Anruf erfolgen wird, und die Karten nur noch eine präzise Zeitangabe dafür geben sollen.
Ich sage nicht, dass es unmöglich ist, diese Fragen mit Hilfe des Tarot zu beantworten — hier stelle ich eine passende Legung vor. Allerdings würde ich bei solchen Frage — wenn ich sie überhaupt stellen wollte — eher Orakelkarten als Tarot zu Rate ziehen. Denn in den Jahren der Beschäftigung mit Tarot habe ich gelernt, dass diese Karten — ich sehe in ihnen immer mehr fürsorgliche Haustiere — gern mit uns spielen und davon abbringen wollen, einfache Lösungen und unproblematisches Glück irgendwo in der Zukunft geweissagt zu bekommen. Auch wollen sie keine Entscheidungen für uns treffen oder uns ein unveränderliches Schicksal anzeigen.
Was Karten wirklich beantworten
Vielmehr wollen sie uns darin bestärken, unsere Probleme im Hier und Jetzt in unserem Sinne zu lösen — kreativ, positiv und eigenständig. Damit dies klappt, solltest du dir immer wieder bewusst machen: Die Antworten des Tarot sind stets abhängig von äußeren, sich verändernden Umständen, deinem seelischen Zustand, wenn du zu den Karten greifst, und davon, dass du den Rat der Karten auch tatsächlich befolgst.
Tarot — aber auch alle anderen Orakelkarten — beantworten am verständlichsten solche Fragen, die uns auf uns selbst zurückwerfen. Im oben genannten Fall wäre das statt »Wann ruft er an?« eher »Welcher Anteil in mir will diesen Anruf unbedingt?« oder »Warum rufst du nicht selber an?« Du merkst schon, die »richtige« Frage zu stellen ist keine leichte Aufgabe. Besonders, wenn du anderen Menschen die Karten legen willst.
Am ehesten findest du die »richtige« Frage eines anderen Menschen heraus, indem du mit ihr oder ihm redest, bevor du zu den Karten greifst. Wird mir tatsächlich die Frage »Wann ruft er an?« gestellt, interessiert mich beispielsweise erst einmal: Wann gab es denn den letzten Kontakt mit dem erhofften Anrufer? Was wurde da vereinbart? Ist das jemand, der sonst regelmäßig anruft? In welcher Beziehung steht er zur Fragenden? Dir fallen sicher auch wichtige weitere Informationen ein, die Voraussetzung für eine gute Kartendeutung sind. Trau dich! Du musst als Kartenlegerin keineswegs hellsichtig sein.
Selbstdisziplin und Ehrlichkeit bringen die besten Ergebnisse
Wenn du dir selbst die Karten legst, kennst du die Hintergründe deines Anliegens natürlich bereits. In diesem Fall sind Selbstdisziplin und Ehrlichkeit sich selbst gegenüber das beste Mittel, um hilfreiche Antworten von den Karten zu erhalten. Egal ob für dich oder andere, hier sind einige Überlegungen, die dir dabei helfen können, aufrichtige und vor allem weiterhelfende Fragen zu formulieren:
Vorüberlegungen für eine konstruktive Fragestellung
- Beschäftigt sich die Frage mit mir selbst/der Person, der ich Karten lege?
- Widerspiegelt die Frage meine/ihre Eigenverantwortung für die Lebensgestaltung?
- Kann die Beantwortung der Frage mir/ihr helfen, mein/ihr Problem eigenständig zu lösen?
Die besten Fragen sind die, die eine Entwicklung erkunden (beispielsweise: »Wie wird sich das mit dem Mann entwickeln?«) oder die beantworten, was du tun kannt, um die Dinge in deinem Sinne zu lenken (beispielsweise: »Was kann ich tun, damit der nun endlich mal anruft?«). Bist du einmal mit der Fragestellung zufrieden, dann schreiben dir deine Frage bitte auf, BEVOR du die Karten ziehst. So vermeidest du es am ehesten, die Frage einfach zu »vergessen«, wenn dir die antwortenden Karten nicht gefallen.
Bloß nicht das Schicksal herausfordern!
Außerdem empfehle ich dir, es am besten von Anfang an zu vermeiden, die Karten »nur mal so« zu befragen. Auch ist es nicht weise, Dinge zu hinterfragen, die in deinem Leben gerade gut laufen. Stelle dir vor, du ziehst dann eine Karte, die dich ängstigt — das würde dir garantiert deine positive Grundstimmung verderben.
Noch etwas: Fragen zu medizinischen, psychologischen und juristischen Problemen sind absolut tabu. Dafür sind ausgebildete Experten zuständig. Es gibt aber noch weiter Fragen, die du vermeiden solltest, weil sie unethisch sind, oder dir einfach nicht weiterhelfen werden:
Diese Fragen sind tabu!
- Fragen über das Eintreffen konkreter Ereignisse, die eigentlich ein »Ja« als Antwort erwarten. (»Wird er zu mir zurückkommen?«)
- Fragen, die die Eigenverantwortung an die Karten oder andere Personen abgeben wollen. (»Sollte ich ihn heiraten?«)
- Fragen über das Gefühlsleben und das Tun und Lassen anderer. (»Was macht meine Tochter mit ihrem Freund?«)
- Fragen globaler Natur, auf die es nur ein Ja oder Nein als Antwort gibt. (»Werde ich mal heiraten?«)
- Fragen die etwas hinterfragen, was eigentlich gut läuft. (»Werden wir ewig so glücklich wie jetzt sein?»)
Thema Zeitangaben
Kommen wir noch einmal auf die beliebte Frage »Wann ruft er an?« zurück. Das ist eine von vielen Fragen, bei denen sich Ratsuchende konkrete Zeitangaben erhoffen. Für mich gibt es für das Herausfinden von der Dauer eines Zustandes nur eine nachvollziehbare Karten-Methode: Du begrenzt den herauszufindenden Zeitraum bereits in der Fragestellung (z.B. Was passiert innerhalb der nächsten zwei Wochen?) Allerdings: Keine noch so konkrete Zeitangabe nutzt etwas, wenn du dich gänzlich abhängig von einem orakelten Schicksal machst, anstatt dafür zu sorgen, dass dein Leben sich nach deinen Wünschen gestaltet.
In diesem Sinne wünsche ich dir immer gute Fragen! Weitere Artikel meiner Tarotschule findest du beispielsweise hier.