Jane Austen Tarot

Ein Hoch auf die maßvolle Liebe — Jane Austen Tarot

So lange sich die Men­schen ver­lieben und in den Launen, der Exzen­trik und den Eigen­schaften der mensch­li­chen Psyche eine uner­schöpf­liche Quelle der Fas­zi­na­tion finden, werden die Bücher von Jane Austen nicht in Ver­ges­sen­heit geraten.“ 

Diane Wilkes, Booklet zum Jane Austen Tarot

Zum Valen­tinstag habe ich mal wieder mein geliebtes Jane Austen Deck aus unse­remgut sor­tierten Kar­ten­schrank genommen, um damit unser Wochenta­rot­skop auf You­Tube zu legen. Dabei hat mich wieder die Begei­ste­rung für dieses tolle Deck und die groß­ar­tige Autorin gepackt. So musste ich ein­fach den fol­genden Artikel über das Kar­ten­spiel aus meinem Archiv fischen. Über­ar­beitet ist er nicht nur ein her­vor­ra­gender Bei­trag zum Monat der Liebe, son­dern auch zur Fasten­zeit. Denn durch Jane Austen lernen wir: Nur die maß­volle Liebe zählt!

Der Jane Austen Tarot aus dem Jahr 2007

Der ein­gangs zitierten Lau­datio der ame­ri­ka­ni­schen Tarot­ex­pertin Diana Wilkes (leider ist ihr Web­site www.tarotpassages.com anschei­nend down) kann ich mich vollen Her­zens anschließen. Zusammen mit der Künst­lerin Lola Airaghi hat Wilkes hat 2007 ein Tarot­deck geschaffen, das den unver­gess­li­chen Lie­bes­ge­schichten der bedeu­tenden eng­li­schen Autorin ver­eh­renden Tribut zollt und den 78 Karten mit roman­tisch-iro­ni­schen Bil­dern eine wei­tere span­nende Facette verleiht.

Wer kennt sie nicht, die Hel­dinnen aus „Emma“, „Stolz & Vor­ur­teile“, „Ver­stand & Gefühl“, „Anne Elliot“, „Mans­field Park“ oder „Nort­hanger Abbey“? Jane Austen (1775–1817), zu Leb­zeiten wenig beachtet, hat sich und ihre ach so mensch­li­chen Figuren schon lange in den ewigen Lie­bes­roman-Top­best­sel­ler­li­sten ver­an­ckert. Zahl­reiche Ver­fil­mungen ihrer Werke, Pre­quels, Sequels und unzäh­lige wis­sen­schaft­liche Abhand­lungen zeugen davon, wie sehr sie das west­liche Kol­lek­tiv­be­wusst­sein beein­flusst hat und wird. 

Jane Austen ist die Hohepriesterin der vernünftigen Liebe 

Absolut stimmig daher Wilkes Ent­schei­dung, Trumpf II Die Hohe­prie­sterin der Autorin selbst zu widmen: 

Basie­rend auf dem ein­zigen Por­trait, das uns von Austen erhalten ist, wird sie hier im klas­si­schen Empire-Ambi­ente samt Spit­zen­häub­chen und Katze, eins ihrer zahl­rei­chen Bücher in Händen, als „Biblio­the­karin des Unbe­wussten“ darg­stellt – ganz Hüterin der tief rei­chenden Kennt­nisse mensch­li­cher Natur.Diese Hohe­prie­sterin ist eine scharfe sozi­al­kri­ti­sche Beob­ach­terin ihrer Zeit, amü­sierte Ana­ly­ti­kerin ihrer Zeit­ge­nossen, die im Ver­bor­genen ihr großes Werk wirkt.

In Austens Roman­welt kämpfen die Ele­mente, dar­ge­stellt durch ihre bril­lant gezeich­neten Cha­rak­tere, stets gegen­ein­ander um die Vor­machts­stel­lung, bis sie von der Autorin – quasi dem fünften Ele­mente Geist, aus­ge­söhnt werden. Wenn es hier so etwas wie Sieger gibt, dann ist dies immer die wahr­haf­tige, bestän­dige und ratio­nale Liebe. Über­emo­tio­na­lität, Deka­denz, Hochmut, Bos­heit, Leicht­fer­tig­keit und Ego­ismus haben hier auf Dauer keine Chance. Ist das nicht auch der Rat, den der Tarot uns allen in Lie­bes­dingen immer wieder gibt?

Die Großen Arkana als Türöffner in die Romanwelt

Abge­sehen von dieser Trumpf­be­set­zung durch die Autorin selbst, ist das rest­liche Deck durch­gängig Situa­tionen aus ihren Romanen geweiht. Dabei nehmen die Werke Emma, Stolz & Vor­ur­teile, Ver­stand & Gefühl und Anne Elliot eine ein­deutig über­ge­ord­nete Posi­tion ein, wäh­rend Mans­field Park und Nort­hanger Abbey eher wenig ver­treten sind. Das geniale Früh­werk Lady Susan schlägt nur in einer Karte nieder, die aber immerhin Trumpf XV Der Teufel ist – eine ebenso ori­gi­nelle wie pas­sende Wahl. 

Du merkst schon, eins steht fest: Es hilft sicher­lich, mit den genannten Titeln ver­traut zu sein oder die zahl­rei­chen Ver­fil­mungen zu kennen (Gwy­neth Paltrow und Kate Winslet und andere standen für einige Bilder sicher Patin), doch die lie­be­voll und den­noch nicht über­laden aus­ge­stal­teten Zeich­nungen  voll der flie­ßenden Gewänder der Sturm und Drang Epoche um die 18. Jahr­hun­dert­wende spre­chen auch für Austen-Unkun­dige eine deut­liche Sprache. 

Über­haupt haben Lola Airaghi und Diana Wilkes offen­sicht­lich viel über Kon­zept und Umset­zung ihrer Aus­sagen gegrü­belt. Witzig zum Bei­spiel die Idee, die Großen Arkana in sattem Vier­farb­druck, die ein­zelnen Sätze der Kleinen Arkana jedoch mono­chrom, in den Ele­menten ent­spre­chenden Farben zu halten. Ein­ziger Abstrich hierbei – die Qua­lität des ita­lie­ni­schen Kar­ten­mas­sen­pro­du­zenten Lo Sca­rabeo, dessen Nen­nung der Titel in 6 Spra­chen jede Karte ein wenig billig wirken lässt. 

Die auf den Großen Arkana dar­ge­stellten Situa­tionen treffen den Arche­typus des ein­zelnen Trumpfs, oft mit einem iro­ni­schen Sei­ten­hieb auf die „Urbe­deu­tung“ der ein­zelnen Themen. Dabei wech­seln sich über­ra­schend wit­zige Inter­pre­ta­tionen (das Rad des Schick­sals als Gesell­schafts­tanz, die Gerech­tig­keit als des stolzen Darcys auf­klä­render Brief an die vor­ein­ge­nom­mene Eli­sa­beth oder den Mond als Emmas Angst davor, dass Traum­mann Mr. Knightley ihrer Freundin Har­riet ver­fallen sein könnte) mit recht vor­her­seh­baren ab (die Hoch­zeit Emmas und Mr. Knightlys unter Blu­men­gir­landen als Welt, der Hohe­prie­ster als auf­ge­bla­sener Pfarrer Elton und Mis­an­throp Mr. Bennet als Eremit.

Die Kleinen Arkana im Geiste des Viktorianischen Zeitalters

Auch bei den Kleinen Arkana haben sich die beiden Schöp­fe­rinnen etwas ein­fallen lassen, die Sätze sind epo­chen­ge­treu in Kerzen (Feuer), Tee­tassen (Wasser), Federn (Luft) und Münzen (Erde) auf­ge­teilt und die Asse jeweils einem der vier ver­wen­deten Haupt­werke zuge­ordnet. Die rest­li­chen neun Zah­lenkarten eines Satzes stellen wie die Großen Arkana Epi­soden aus den diversen Romanen dar, und das ebenso durch­dacht und stimmig. 

Super Idee: Die vier Sätze der kleinen Arkana werden ent­spre­chend ihrem Ele­ment mono­chrom dar­ge­stellt: Federn grau, Erde braun, Tee­tassen blau, Kerzen rot 

Beson­ders gut gefallen mir die Hof­karten. Unter­teilt in Maiden, Ritter, Damen und Herren, hat Wilkes es ver­standen, die dem jewei­ligen Ele­ment und der Qua­lität am besten ent­spre­chende Per­sön­lich­keit her­aus­zu­fil­tern.  In den Tassen finden sich die zwei wohl am idea­li­stisch­sten ver­an­lagten Paare Austens, Jane Bennet und ihr Bin­gley (Stolz & Vor­ur­teile) und natür­lich Will­oughby und Mari­anne (Ver­stand & Gefühl). Der Ker­zenhof ist von tem­pe­ra­ment­vollen und eigen­sin­nigen Macher-Cha­rak­teren wie Lydia und Eli­sa­beth (Stolz & Vor­ur­teile), Cap­tain Went­worth (Anne Elliot) und Henry (Nort­hanger Abbey) geprägt.

Durch Beto­nung von Ratio und Intel­lek­tua­lität zeichnen sich die Feder­typen aus: natür­lich Darcy (Stolz & Vor­ur­teile) sowie Anne Elliot, weniger ent­wickelt Emma und ihr fast Lieb­haber Frank. Die Per­sonen, die am mei­sten mit der Kon­se­quenz von Haben und Nicht­haben des schnöden Geldes hadern müssen, finden sich in den Münzen wieder: Char­lotte und Mr. Bennet (Stolz & Vor­ur­teile) sowie Elinor und Edward (Ver­stand & Gefühl).

Die gekonnte Mischung mutet leicht Kip­per­mäßig an und lädt ein, dar­über zu spe­ku­lieren, welche Figuren Austens sich gern mal außer­halb des eigenen Romans getroffen und welche sich kei­nes­wegs ertragen hätten.

Licht und Schatten in der Welt der Jane Austen

Zwei Karten sollen abschlie­ßend auf­zeigen, wie der Jane Austen Tarot mit den Licht- und Schat­ten­seiten der Liebe spielt und die Roman­mo­tive gekonnt mit den all­ge­mein­gül­tigen Aus­sagen der jewei­ligen Karte verbindet: 

Eine Szene aus Ver­stand & Gefühl: die idea­li­sti­sche, hoch sen­sible und roman­ti­sche Mari­anne ist von ihrem geliebten Will­oughby zutiefst gede­mü­tigt und ver­raten worden. Vor Lie­bes­schmerz halb wahn­sinnig zieht sie sich in ere­mi­ti­sche Ein­sam­keit zurück, wird schwer krank: 4 Federn, sonst als 9 Schwerter bekannt und in Wilkes Notizen treff­lich wie­der­ge­geben als „die Not­wen­dig­keit des Aus­ru­hens, der Erneue­rung und der Rege­ne­ra­tion der ver­stan­des­ge­mäßen Gedanken“.

Die Zeit der Feste und Freuden ist erst einmal vorbei, Rückzug ist ange­sagt. Doch der wird nicht ewig dauern. Wer Mari­annes Schicksal kennt, weiß, dass sie noch die wahre Liebe, die treue Liebe finden wird, nachdem sie sich selbst als Person gefe­stigt hat. 

Im Trumpf XIX Die Sonne hin­gegen hat ein Paar dieses hohe Ziel bereits erreicht.

Wir sehen Emma und Mr. Knightly auf ihrem Spa­zier­gang durch das bal­dige gemein­same Anwesen: Das hoch­ro­man­ti­sche fast letzte Kapitel des Bil­dungs­ro­mans, in dem sich alle Irrungen und Wir­rungen im lange fäl­ligen Gespräch klären und direkt zum gegen­sei­tigen Ehe­ge­löbnis führen: Wilkes schreibt dazu: „Voll­stän­dige Öff­nung. Das Licht sehen. Ein groß­ar­tiger Tag.“ 

Ist das nicht, was wir alle von der Liebe erhoffen? Ein ewiges Licht­fest voll Ver­trauen und inniger See­len­ver­wandt­schaft. Der Jane Austen Tarot lädt dich ein, davon zu träumen, soll­test du es noch nicht ganz in die höheren Weihen der Sonne geschafft haben. Leider ist das Deck der­zeit nicht erhält­lich. Es wurde län­gere Zeit von Königs­furt-Urania Verlag vertrieben. 

Hier kannst du dich an einem Lege­sy­stem aus dem Buch von Diana Wilkes versuchen.

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