Kirsten Buchholzer

Tarotwissen

Der Turm als Pfingsterlebnis im Tarot

Last Updated on 30. Juni 2024 by Tarot­wissen

Diese Ver­sion des Tarot­trumpf Turm stammt aus dem RWS-Bor­der­les­starot, das Teil der Public Domain ist

Die Ver­bin­dung der Karte Turm mit der Bibel ist in der Tarot­welt gut eta­bliert. Kein Wunder, schließ­lich kann man beson­ders auf dem Bild des Waite-Smith-Tarots das Ent­setzen der Bau­mei­ster von Babel gut nach­voll­ziehen, das sie ange­sichts des Ein­sturzes des gewal­tigen Bau­werks emp­funden haben müssen, das bis an Gott her­an­rei­chen sollte. Das JHJV (Jahwe) diese Eitel­keit mit einem erzürnten Blitz aus dem hei­teren Nichts bestrafen würde — damit hatten sie ein­fach nicht gerechnet. Im Tarot hat diese Geschichte zur Inter­pre­ta­tion des Turms u.a. als War­nung vor Hochmut und Auf­for­de­rung zur Demut geführt. Ich bin gespannt, welche neuen Erkennt­nisse mir der kom­mende Vor­trag von Armin bringen wird.

Der Tarot-Turm und Pfingsten

Kir­sten mit der groß­ar­tigen Rachel Pol­lack in Ham­burg 2009

Weniger bekannt ist die Ver­bin­dung des Großen Arka­nums XVI mit dem Pfingst­fest. Dabei haben bekannte Tarot-Kenner schon darauf ver­wiesen. Bei­spiels­weise Rachel Pol­lack in ihren gesam­melten Tarot-Weis­heiten — ein monu­men­tales, fast enzy­klo­pä­di­sches Werk von an die 500 Seiten. Sie schreibt dort: „Die Chri­sten lehren von Pfing­sten, dass der Geist hin­ab­stieg und die Men­schen mit selt­samen Lauten oder in unter­schied­li­chen Spra­chen zu reden begannen. Gott erfüllte sie, und sie konnten Wunder außer­halb des mensch­li­chen Bewusst­seins aus­drücken. Babel ist die eine Seite des Turms, Pfing­sten ist die andere. Und Cap­tain Marvel fliegt zwi­schen ihnen beiden dahin.“

Gesammelte Tarot Weisheiten von Rachel Pollack

Die deut­sche Aus­gabe von Rachel Pol­lacks Tarot­weis­heiten, erschienen im Königs­furt-Verlag 2009, Über­set­zung Kir­sten Buchholzer

Übri­gens habe ich 2008 das Buch aus dem Eng­li­schen für Königs­furt-Urania über­setzt (schwitz) und durfte 2009 auch noch ein Inter­view mit der sym­pa­thi­schen Rachel anläß­lich unseres großen Tarot-Kon­gresses (unser = Tarot e.V.) in Ham­burg führen.

Der Tarot-Turm, Babel und Pfingsten

Auch Johannes Fiebig hat in einem Vor­trag „Vom Turmbau zu Babel bis zu den Zinnen von Hog­warts“, den er 2008 bei einem Tarot-Sonntag in Mün­chen hielt, Pfing­sten als wich­tiges Ele­ment zur Inter­pre­ta­tion des Turms her­vor­ge­hoben. Für ihn sind „Babel und Pfing­sten zwei gegen­sätz­liche Pole der Nut­zung der höch­sten Energie, die uns zur Ver­fü­gung stehen. Zwei ganz ver­schie­dene Arten ‘aus dem Häus­chen’ zu geraten: Gewalt zer­stört und führt zu Sprach­lo­sig­keit und Ver­wir­rung. Liebe hin­gegen hebt die Sprach­bar­rieren auf und ermög­licht eine Ver­stän­di­gung über alle Grenzen hinweg.“ Die Anspie­lung auf Pfing­sten macht der Autor u.a. an den Feu­er­zungen (dem hebräi­schen Buch­staben Yod) fest, die auf der Waite-Smith-Karte zu sehen sind.

Die Taube und der Tarot-Turm

Diese Ver­sion des Ass der Kelche stammt aus dem RWS-Bor­der­les­starot, das Teil der Public Domain ist

Eine andere Anspie­lung auf Pfing­sten im Tarot finden wir im Thoth-Deck von Alei­ster Crowley und Lady Frieda Harris. Dort wird auf dem Turm neben einer Schlange (im christ­li­chen Glauben Symbol der Sünde) auch eine Taube (im christ­li­chen Glauben Symbol der Erlö­sung) mit einem Ölzweig abge­bildet. Natür­lich ver­weist dieser Vogel auch auf die Legenden um die Sint­flut, doch spielt das Tier auch beim Pfingst­er­lebnis eine wesent­liche Rolle. Im Waite-Smith-Tarot begegnen wirdem weißen Vogel übri­gens in diesem Zusam­men­hang auf dem Ass der Kelche, das gut als die Befruch­tung durch den Hei­ligen Geist inter­pre­tiert werden kann (auch hier sind viele Feu­er­zungen zu sehen). Wie auch auf die jähr­liche Erneue­rung der Macht des Hei­ligen Grals auf der Burg Mon­salvat, die uns in den Sagen um König Artus begegnet — doch das ist eine andere Geschichte. Im Thoth-Tarot begegnen wir ihr eben­falls auf Atu V, dem Hohe­prie­ster, und Atu 0, dem Narren. Welche Ver­bin­dungen ziehst du daraus?

Warum feiern die Christen Pfingsten?

Feu­er­zungen und Taube? Was genau hat das nochmal mit Pfing­sten zu tun? Nun, holen wir kurz zum Ursprung des Festes aus. Pfing­sten wird von den Chri­sten am 50. Tag nach Ostern gefeiert. Dies wird deut­lich, wenn man sich die alt-grie­chi­schen Bezeich­nung pen­te­koste, “fünf­zig­ster (Tag)” oder das eng­li­sche Pen­t­a­cost vor Augen führt, aus der der Begriff „Pfing­sten“ her­vor­ging. An diesem Tag ergoss sich angeb­lich der Hei­lige Geist über die Apo­stel Christi, die sich nach der Him­mel­fahrt ihres Anfüh­rers zum jüdi­schen Fest Scha­wuot ver­sam­melt hatten. Ein Wochen­fest, das auch heute noch 50 Tage nach Pes­sach gefeiert wird. Von Samstag bis Montag feiern die Juden an ihm, dass Moses die zehn Gebote im per­sön­li­chen Gespräch mit Gott (naja, mit einem Dorn­busch) erhielt. Sowohl im älteren jüdi­schen Fest als auch im darauf auf­ge­setzten christ­li­chen geht es also um direkte gött­liche Erkennt­nisse, die der jewei­ligen Anhän­ger­schaft über­mit­telt wurden. Die direkte Erkenntnis durch Gott — ist das nicht schon einmal ein inter­es­santer Hin­weis auf die Bedeu­tung des Turms in einer Legung? Bedeutet das nicht, dass jede und jeder von uns im direkten Kon­takt mit dem Gött­li­chen (ich als Nicht-Chri­stin würde das als wohl Kon­takt mit dem Höheren Selbst bezeichnen) steht, wenn sie oder er die Karte zieht? Dies macht den Turm zu einer der an Chancen reich­sten Karte des Tarots. Im Tarot­trumpf Stern können wir dann unsere Chancen wahr­nehmen und umsetzen. Auf der per­sön­li­chen, wie auch auf der mun­danen Ebene. Wie wird das Pfingst­er­lebnis noch einmal in der Bibel genau beschrieben?

Das Pfingsterlebnis in der Bibel 

Diese Version der Tarotkarte „Stern“ stammt aus dem RWS-Borderlesstarot, das Teil der Public Domain ist
Diese Ver­sion der Tarot­karte „Stern“ stammt aus dem RWS-Bor­der­les­starot, das Teil der Public Domain ist

Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle [Jünger] am glei­chen Ort. Da kam plötz­lich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein hef­tiger Sturm daher­fährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich ver­teilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Hei­ligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Spra­chen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. In Jeru­salem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völ­kern unter dem Himmel. Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. Sie gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Sind das nicht alles Gali­läer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Mut­ter­sprache hören.“

Apo­stel­ge­schichten 2, 1–9

Der Tarot-Turm und das Pfingserlebnis

Wenn das kein Turm-Erlebnis ist: Der ein­schla­gende Blitz, der nicht nur zer­stört, son­dern auch erleuchtet. Die Feu­er­zungen, die nicht ver­brennen, son­dern beflü­geln — und die Apo­stel befä­higen in allen Spra­chen der Welt zu reden. Diesmal nicht wie beim Turmbau zu Babel, damit sich nie­mand mehr mit­ein­ander ver­stän­digen kann, son­dern damit das Wort Gottes in alle Welt gebracht werden kann — auch nachdem Jesus nicht mehr unter ihnen weilt. Statt Sprach­ver­wir­rung geschieht hier also eine Auf­he­bung der Sprach- und Ver­stän­di­gungs­grenzen. Wie schön, wenn das dieses Pfing­sten auch wieder in der Welt geschehen könnte. Aber viel­leicht bedarf es eines wirk­li­chen Turm-Erleb­nisses, damit der Gedanke von Ver­stän­di­gung und fried­li­cher Kom­mu­ni­ka­tion wieder im mensch­li­chen Uni­versum Einzug halten kann.

Dieser Artikel ist wesent­lich länger geworden als beab­sich­tigt. Manchmal bin ich halt im Flow. Mir bleibt noch, dir  ein erleuch­tendes Pfing­sten oder Scha­wuot oder was immer du fei­erst zu wün­schen — und dich herz­lich auf unser Tarot-Fest kurz nach den Fei­er­tagen in Kon­stanz ein­zu­laden. Die Anmel­dung läuft über sekretariat@tarotverband.de .

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