Last Updated on 6. Juli 2021 by Tarotwissen
Interview mit der neuen Geschäftführerin des Königsfurt-Urania Verlags für die Tarot Heute, dem Tarot-Fachmagazin des Tarot e.V., Geführt im Februar 2019.
Liebe Martina! Du bist jetzt seit Oktober 2018 alleinige Geschäftsführerin des Königsfurt-Urania- Verlags. Mit welchem Vorsatz bist du gestartet?
Nun, beim Verlag bin ich schon seit 2015 und zwar ursprünglich als Programm-Geschäftsführerin. Bisher ging es für mich also rein um die Themen und Autoren. Nun kommen auch noch buchhalterische und administrative Aufgaben dazu. Und der gesamte Tarot- und Orakel-Bereich, den Johannes Fiebig bis zu seinem Abschied in den Ruhestand betreut hat.
Ah, und was hast du dir in Sachen Tarot als Geschäftsführerin vorgenommen?
Mein Ziel ist es, Menschen weiterhin und zunehmend für Tarot zu begeistern, mehr Aufmerksamkeit für das Thema zu erreichen und schöne neue Produkte dazu anzubieten. Zwar werden wir die „alten Schätze“, also die eingeführten Autoren und Kartendecks, weiterhin pflegen und veröffentlichen, vielleicht ab und zu mal in neuer Aufmachung, damit sie erneut Aufmerksamkeit bekommen, andere Geschmäcker bedienen und somit nicht aus den Augen verloren werden. Hier suchen wir nach neuen Formaten, neuen schönen Boxen und eventuellem Zusatznutzen. Damit möchte ich unsere bestehenden Zielgruppen und Kunden ermuntern, sich immer wieder neu mit dem Thema zu beschäftigen und ihre Begeisterung weiterzutragen. Denn leider sind die Verkäufe heute nicht mehr so gut, wie sie mal waren. Darüber hinaus möchte ich neue Zielgruppen ansprechen, die bisher noch nicht auf das Thema reagiert haben, aber von ihrer Grundeinstellung her eigentlich sehr offen dafür sein müssten.
Warum meinst du, habt ihr alte Zielgruppen verloren?
Es hat vor einigen Jahren einen starken Einbruch bei den Themen Tarot und Orakel gegeben – die Zahlen waren stark runtergegangen. Langsam – seit ca. 2 Jahren — erholen sie sich, aber das Thema scheint trotzdem immer mehr in eine Nische zu geraten. Man könnte meinen, Tarot scheint nicht mehr ins Weltbild vieler Menschen zu passen. Aber das ist seltsam, denn eigentlich gibt es ja viele aufgeschlossene Menschen für diese Themen. Das zeigt sich sehr deutlich auf dem Buchmarkt: Bewusst leben, achtsam mit sich umgehen, Lebensziele und Lebenssinn suchen — das sind schon ganz große Themen. Und obwohl die Tarotkarten bei all dem den Menschen eine große Hilfe sein und viel Vergnügen bereiten können, scheint man das nicht miteinander zu verknüpfen. Erst kam die Meditationswelle, dann Yoga, die Achtsamkeitswelle. Die Zielgruppe ist riesig. Das hat dazu geführt, dass fast alle Verlage diese Themen aufgegriffen haben — sogar reine Hobby-Verlage, die bisher nur Bücher zu Themen wie Basteln und Handarbeiten herausgegeben haben — ein unglaublicher Boom. Aber Tarot-Karten finden nicht die entsprechende Beachtung. Meine Hoffnung ist, dass wir es schaffen, den interessierten Menschen zu zeigen, dass Tarot, Lenormand, Orakel und Pendel sehr gut dazu geeignet sind, sich über sich selbst bewusst zu werden, die eigenen Stärken zu entdecken, achtsam mit sich selbst umzugehen und sich weiterzuentwickeln — und dabei schöne Stunden zu verbringen.
Die anderen Orakel-Themen sind auch rückläufig?
Ja, der ganze Bereich ist kleiner geworden.
Für mich klingt das so, wenn auch ein Hobby-Verlag einsteigt, als ob die Menschen weniger darin interessiert, nach „oben“ zu wachsen und diese Themen lieber im Alltag erleben wollen.
Genau. So könnte man das sagen.
Das heißt, wenn Tarot wieder Bedeutung haben soll, muss man den Leuten vermitteln, wie wichtig es ist, Spiritualität zu leben, um im Alltag besser zurecht zu kommen?
Ja! Gesellschafts- und Zukunftsforschungen zeigen, dass sich sehr viele Menschen – vor allem Frauen — nach Spiritualität in ihrem Leben sehnen. Sie suchen in ihrem stressigen Alltag nach einer höheren Bestimmung, nach Sinn in ihrem Leben und friedvoller Bestätigung. Aber sie verbinden diese Form der Spiritualität offenbar nicht mit dem Thema Tarot. Vermutlich glauben sie, die Karten seien zu althergebracht, zu einschränkend, zu fest in ihren Bedeutungen. Aber das ist ein großer Irrtum. Mein vorrangiger Wunsch ist es eigentlich, die wunderschönen Bilder dieser Decks wieder mehr ins Bewusstsein zu rücken und zur Kenntnis zu bringen. Wenn wir vermitteln können, dass die überlieferte (Be)Deutung der Bilder nicht die einzige und in Stein gemeißelte Aussage sein sollte, sondern das, was man selbst in ihnen sieht und entdeckt, das Wesentliche ist, dann erkennen die Menschen vielleicht, wie wertvoll die Karten bei ihrer Suche nach Antworten und Lebensformen sein können. Ich möchte weg von diesem „Ziehe eine Karte und lies die Bedeutung nach“, und hin zu „Was kann mir diese Karte für mich und meine Fragestellung sagen?“ Dann kann man sich immer noch über Symbole und Farben und traditionelle Deutungen informieren und seine Gedanken vertiefen.
Welche Rolle wird denn dann unter dir Tarot im Verlag einnehmen?
Eine ganz wichtige und zentrale. Tarot war quasi unsere Wiege und ich möchte diesen Programmbereichunbedingt weiter aufbauen. Wir werden die Themen ausweiten, zum Beispiel über Meditations- und Inspirations- bzw. Affirmationskarten, wie beispielsweise Krafttierkarten, Schmanenorakel und weitere Themen, und dadurch den gesamten spirituellen Bereich stärken. So können wir über unterschiedliche Themen Aufmerksamkeit schaffen. Und eine größere Themenauswahl wird hoffentlich auch wieder mehr Interesse im Buchhandel schaffen und mehr Präsentationsflächen. Zur Zeit findet man Tarot-Decks oft nur in einer Pappschachtel unter irgendwelchen Bänken vor den „Bewußter Leben“ Regalen.
Auf welche Neuerscheinungen können wir vom Tarot e.V. uns denn freuen?
Im Herbst bringen wir ein neues Set zum A.E. Waite-Tarot. Das Begleitbuch wird sich ausgiebig den oben beschriebenen modernen Ansätzen widmen. Der Autor wird eine deutliche Verbindung zu den Themen Achtsamkeit und „Selbst-Bewusstheit“ herstellen. Er wird auch die Erkenntnisse der Positiven Psychologie einarbeiten, die darauf ausgerichtet ist, vorhandene Potenziale zu stärken und vermeintliche Schwächen zuzulassen. Im Mittelpunkt soll die moderne Sinnsuche und die gelebte Spiritualität stehen.
Darüber hinaus denken wir zur Zeit über das veränderte Lebensgefühl und die veränderten Lebensgewohnheiten der sogenannten Millenials, der Generation 2000, nach. Für diese Zielgruppe suchen wir nach ganz neuen Darbietungsformen, die sicherlich im Endeffekt in der Verbindung von Karten und digitalen Medien liegen werden. Das ist ungeheuer spannend – und ich hoffe, dass wir im Jahr 2020 dazu bahnbrechende Neuheiten präsentieren können.
Wie wird der Verlag dazu beitragen, das Kulturgut Tarot in die Gesellschaft zu bringen?
Wir haben das Thema vor kurzem erst im Verlag diskutiert. Wir haben nämlich inzwischen mehr als eine Millionen Tarotspiele verkauft und das zum Thema in unserer Vorschau gemacht- und mit zwei edlen Gold-Editionen gewürdigt: einem vergoldeten Crowley-Deck und einem ebenfalls vergoldeten Dalí-Deck. Tarot-Karten und ‑Deutungen sind alte Überlieferungen, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Wie die Volksmärchen haben auch sie keinen einzelnen Urheber, sondern sind über Jahrhunderte in der Art eines kollektiven Schöpfungsprozesses entstanden und gehören damit zum Volksgut wie die Märchen. Die Märchensammlung der Brüder Grimm gehört zum Weltkulturerbe. Unserer Meinung nach hätten die Tarot-Karten zumindest einen ähnlichen Status verdient. Wir werden nicht aufhören, ihre Bedeutung für unsere Kultur zu betonen und für eine entsprechende Anerkennung einzutreten.
Ein Schritt ist natürlich, dass der Königsfurt-Verlag dem Tarot e.V. als Sponsor und Mitglied erhalten bleibt und dass auch du in den Verband eingetreten bist. Vielen Dank dafür! Du hast durchscheinen lassen, dass du dich mit Tarot bisher gar nicht so auskanntest. Was genau ist dein Background und wie kann er helfen, Tarot unter die Leute zu bringen.
Ich arbeite seit 30 Jahren im Verlagswesen. Ich weiß, wie man Bücher und Karten-Sets herstellt und marketingmäßig betreuen muss. Ich habe gute Kontakte zu Autoren, Agenturen, Übersetzern, Lektoren und schließlich auch zum Handel. Ich habe mich viel mit Themen wie Meditation, Yoga, Ayurveda oder Gesundheit beschäftigt. Immer ging es darum, das eigene Leben selbstverantwortlich zu gestalten und positive Veränderungen herbeiführen zu können. Ich habe die Zielgruppen beobachtet und begleitet – und ich kann mich genau für diese Themen immer noch begeistern und suche dafür stets nach neuen Erkenntnissen und Ansätzen.
Das ist natürlich sehr sinnvoll. Aber hast du dich seit deinem Antritt bei Königsfurt-Urania auch selbst mit Tarot beschäftigt?
Sehr intensiv. Ich habe seitdem oft Tarotkarten für meine eigenen Fragestellungen zu Hilfe genommen und finde es eine phänomenale Möglichkeit, Wege zu finden, wie man sich selber stärken und gute Wege für sich finden kann. Natürlich sagen die Karten mir nicht „Tue dies oder das“, sondern sie geben wirklich sehr nützliche Hinweise. Ich habe ja zum Beispiel auch diesen typischen Frauen-Tick, mich oft für nicht gut genug zu halten. Aber die Karten lassen mich dann oft erkennen: „Du bist gut, du weißt viel, du hast dir viel erarbeitet und du hast es jetzt auch verdient, Erfolge zu ernten.“ Dann gehe ich ganz anders in die Welt, als wenn ich auf mich alleine gestellt bin und nehme meine Erfolge an.. Das finde ich großartig.
Aber ich bin sicher, die Mitglieder des Verbands könnten mir sehr viel zeigen und erklären, was ich noch nicht weiß. Darum freue ich mich so darauf, bei den nächsten Treffen dabei zu sein und mit euch zu lernen.
Darüber freuen wir uns auch! Und beziehst du deine Fragen immer auf die Gegenwart oder orakelst du auch damit?
Das geht für mich ineinander über. Wenn ich zum Beispiel zweifle, ob ich eine berufliche Herausforderung annehmen soll und nicht weiß, ob ich wohl die Kraft dazu habe — dann ziehe ich eine oder mehrere Karte(n), die mich vielleicht darin bestärken: „Du hast soviel Kraft in dir und Erfahrung!“ Und dann denke ich: „Du wärst ja schön blöd, wenn du dich nicht dafür einsetzen würdest. Du gehst da weiter und wirst erfolgreich sein!“ Und wenn ich zum Beispiel einen strahlenden blauen Himmel über weiter Landschaft auf den Karten sehe und es geht mir gerade schlecht, dann freue ich mich darauf, dass wieder bessere Tage kommen werden. Das ist doch ein Ausblick auf die Zukunft. Und wir alle wissen ja, was ich positiv angehe, das gelingt viel leichter – insofern beeinflusst das die Zukunft tatsächlich.
Nutzt du immer das Waite-Smith-Deck?
Nein, ich mag auch die Crowley-Karten sehr gerne. Darüber hinaus üben die alten Lenormandkarten einen ganz besonderen Reiz auf mich aus.
Meine Lieblingskarten sind beim Waite-Deck der Narr und beim Crowley die Herrscherin. Beide machen mich auf ihre Art sehr glücklich, wenn ich sie ziehe. Eine für mich sehr wichtige Karte, die ich bezeichnenderweise sehr häufig ziehe, ist die 7 der Stäbe - sie macht mich immer wieder auf ein sehr persönliches Manko aufmerksam, indem sie mir sagt: Du musst dir klar sein, was du willst, und das musst du fordern und verteidigen, wenn es vorangehen soll. Diese Karte stärkt mich dann immer wie jemand, der mir Mut macht und zur Seite steht.
Was sind eigentlich eure Tarot-Bestseller?
Nun, von den Decks sind nach wie vor die A.E. Waite-Karten die Nummer Eins, dann das Crowley Thoth-Deck, dicht gefolgt von der wunderbaren Gilded Reverie Lenormand-Ausgabe und dem OSHO ZEN TAROT-Set. Von den Autoren Hajo Banzhaf, Evelin Bürger und Johannes Fiebig, Bodhi Ziegler und Lilo Schwarz.
Das sind ja eher etablierte Talente. Wollt ihr denn auch neue dazu nehmen?
Wahnsinnig gern, ich suche intensiv nach neuen Autoren - eventuell auch aus dem Ausland. Für uns sind allerdings nicht die in England und Amerika sehr beliebten Künstler- oder Themen-Tarots interessant, sondern ich suche wirklich nach neuen Ansätzen – sowohl vom Design als auch von den Deutungs-Ansätzen. Bisher ist mir leider noch nichts wirklich Spannendes unter die Finger gekommen.
In dem Zusammenhang wollte ich mich auch noch einmal offiziell bedanken, dass der Verband die vielen Karten kostenlos nutzen darf. Unsere Mitglieder interessiert aber auch sehr, was genau sie tun müssen, wenn sie Tarotkarten in den Social Media oder auf Blogs und Vorträgen veröffentlichen wollen. Wir würden ja auch gern Tarot verbreiten, leben aber ungern in Rechtssicherheit.
Wir freuen uns natürlich sehr über jeden, der unsere Karten in der Öffentlichkeit sichtbar macht. Aber natürlich sind diese urheberrechtlich geschützt und man darf nicht alle Karten abdrucken oder online abbilden. Zur Eigenwerbung auf Visitenkarten, Homepages oder in Videos etc. darf man eine gewisse Anzahl kostenfrei abbilden. Auch für nicht öffentliche Legungen dürfen Karten kostenfrei abgebildet werden. Abbildungen für kommerzielle Zwecke müssen genehmigt werden und sind eventuell kostenpflichtig – aber die Kosten halten sich in der Regel im Rahmen. Wir haben dazu gerade ein Richtlinien-Papier entworfen, das wir in Kürze online stellen werden. Dem kann dann jeder entnehmen, welche Karten er wofür öffentlich in welcher Weise verwenden darf, wann man eine Genehmigung von uns einholen sollte und wann es eventuell kostenpflichtig wird. Bei Unsicherheiten sollte man einfach bei uns nachfragen. Bei Mitgliedern des Tarot e.V.s werden wir gerne so großzügig wie möglich sein, denn wir freuen uns ja über jede Form der Unterstützung für die Verbreitung des Themas. Und da verstehen wir den Tarot e.V. durchaus als wichtigen Partner!
Überhaupt finde ich die Arbeit der Kartenleger mehr als bewundernswert und hoffe, dass sie alle sich weiterhin so toll engagieren. Denn nur so kann die Begeisterung und das Wissen ja tatsächlich weiter gegeben werden und sich auch weiter entwickeln.
Was sie sich von Kartenleger/innen und vom Verein „wünscht“?
Wir freuen uns immer, wenn ihr unsere Themen verbreitet. Gerne könnt ihr vielleicht auch mal in einem Blog ein kleines Gewinnspiel oder eine Verlosung starten – dafür haben wir immer offene Ohren. Und wenn jemand eine Idee für ein neues Karten-Deck oder ein Begleitbuch hat – gerne bitte mit uns teilen.
Möchtest du noch noch etwas sagen, was dir wichtig ist?
Ich freue mich sehr, auf kommenden Veranstaltungen vom Tarot-Verband möglichst viele von euch persönlich kennenzulernen und mich mit euch auszutauschen.
Danke für das Interview, liebe Martina!