Kirsten Buchholzer

Tarotwissen

Feel the Flow — eine Kartenlegung, um in den kreativen Fluss zu kommen

Sieg­mund Freuds Tarock­spiel, Freud-Museum Wien

Das Kar­ten­legen mit Tarot exi­stiert wahr­schein­lich längst nicht so lange, wie gern behaupten wird. Es hat sich am ehe­sten aus einem anspruchs­vollen Gesell­schafts­spiel ent­wickelt, das seit vielen Jahr­hun­derten gespielt wird. Als Tarock ist es auch heute noch sehr beliebt, beson­ders in Frank­reich, Ita­lien und in Öster­reich. Berühmte Anhänger dieses Spiels waren bei­spiels­weise Wolf­gang Ama­deus Mozart und Sieg­mund Freud, die gern die Nächte durch­spielten um sich zu ent­spannen. Auch Court de Gebelin, dem wir die steile These ver­danken, dass Tarot “Ägyp­ti­sches Geheim­wissen” ent­halte, befand sich beim Kar­ten­spiel in einem Salon des vor­re­vo­lu­tio­nären Frankreichs…

Wolf­gang A. Mozart war ein ver­spielter Mensch

Die für mich logischste Erklä­rung, wie Zukunfts­deu­tung und Tarot zusam­men­fanden, besagt denn auch, dass dies dem
Flow-Zustand geschuldet war, in den Gamer beim inten­siven Zocken ver­fielen und fallen.  Sie stammt von Cyn­thia Giles. Ich kann mir gleich ihr gut vor­stellen, wie man nach vielen Stunden des Kar­ten­spiels beginnt, über die Bilder zu phi­lo­so­phieren und visionieren.

Der „Flow-Zustand“ wurde vom Glücks­for­scher Mihály Csíks­zent­mi­hályi aus­führ­lich unter­sucht In seinem Buch Flow kannst du mehr dar­über lesen. Flow — das ist das erhe­bende Gefühl völ­liger men­taler Ver­tie­fung und rest­losen Auf­ge­hens in einer Tätig­keit. Ein Zustand, in dem alles wie von selbst geschieht. Wenn das nicht der Ide­al­zu­stand eines kreativ schrei­benden Men­schens ist!

Sieg­mund Freud liebte das Spiel

Er ent­steht am leich­te­sten, wenn man etwas mit Lei­den­schaft tut. Es ist zu hoffen, dass dies bei deiner krea­tiven Arbeit immer der Fall ist. Auch die Atmo­sphäre, die du dir für den Flow erschaffst, ist sehr wichtig. Die dritte Grund­vor­aus­set­zung für den Flow ist, dass du mit deiner Auf­gabe weder über­for­dert, noch unter­for­dert bist. Er ent­steht nur dann, wenn Her­aus­for­de­rungen und Fähig­keiten im Ein­klang sind. Aus dieser Flow-Formel habe ich ein kleines Lege­sy­stem abge­leitet, dass dich in den Flow bringen kann, wenn es gerade mal in Sachen Krea­ti­vität nicht so läuft. Das ist übri­gens gerade bei mir der Fall: Ich schreibe die letzten Seiten für ein Buch und komme nicht so richtig in die Gänge. Also pro­biere ich die Legung gleich einmal an mir aus. Die darin beschrie­bene Situa­tion liegt eine Woche zurück. Inzwi­schen ist das Pro­jekt abgeschlossen.

Ich greife zu meinem „Stu­dier­deck“ Bor­der­less Smith-Waite Tarot, das immer auf meinem Schreib­tisch liegt und ziehe drei Karten zu fol­genden Fragen:

Was über­for­dert mich gerade?
Was unter­for­dert mich gerade?
Rat: Wie bringe ich meine Fähig­keiten mit der Auf­gabe jetzt in Einklang?

 

Pra­xis­bei­spiel für die Tarot-Aus­lage “Feel the Flow” von Kir­sten Buch­holzer. Gelegt mit dem Bor­der­less Smith-Waite Tarot aus dem Llewllyn-Verlag, USA

Für meine „Über­for­de­rung“ ziehe ich die Welt. Alles Klar! Diese Karte ist der höchste Trumpf Tarot. Säße ich jetzt am Spiel­tisch, hätte ich sehr gute Karten! Viel­leicht ist es das, was mich über­for­dert? Was pas­siert, wenn dieses Buch, mein Baby, fertig ist? Beginnt dann nicht erst die Arbeit? Wie wird das Kind in der Welt auf­ge­nommen werden? Die Welt ver­spricht mir da viel Posi­tives — aber auch das bedeutet wieder Arbeit. Eine wei­tere Über­for­de­rung: Ich denke — wie ich jetzt wäh­rend des Schrei­bens merke (bin ich etwa schon wieder im Flow?) zu sehr über Sachen nach, die ein­fach noch nicht spruch­reif sind.

Der­zeit ist kein Trumpf, kein großes Lebens­thema ange­sagt. Schnell zurück ins Klein­klein. Über die „Unter­for­de­rung“ muss ich dann doch schmun­zeln. Ich sehe mich als den alten Mann im Schatten auf der Karte. Ich bin näm­lich extra zum Abschluss dieses Buches, an dem ich mit meiner Co-Autorin nun schon ziem­lich lange sitzen, in Schreib­klausur gegangen. Meinen Mann und meinen Sohn habe ich in Ham­burg zurück­ge­lassen. Ich bin sehr froh über die geschenkten Tage — ein echter Luxus für mich. Doch seit ich in meiner Klause sitze, stelle ich fest, dass gar nicht mehr sooooo viel zu tun ist am Buch. Und das was zu tun ist, ist etwas, was ich nicht sehr gern mache: redi­gieren, über­ar­beiten und jetzt auch noch Bei­spiellegungen ver­fassen. Das finde ich ziem­lich lang­weilig, weil ich nicht in den Dialog mit anderen dabei gehen kann — auch der alte Mann auf dem Bild findet wenig Beachtung.

He, ich will ein­fach Feed­back! Gut, dann sollte ich mir viel­leicht etwas Abwechs­lung gönnen. Kurz was anderes machen, durch Face­book surfen oder mal schnell mit meinem Mann tele­fo­nieren. Genau auf all das habe ich jetzt Lust und würde es auch tun, wenn da nicht als Rat der Karten die doofe 9 Stäbe liegen würde. Ja, doof! ich mag die Karte nicht. Sie ist astro­lo­gisch dem Mond in Schütze zuge­ordnet. Das kann mit Begei­ste­rung, Opti­mismus und Lebens­freude pur über­setzt werden. Aber auf dieser Karte steht dieser miss­traui­sche Typ mit einem Ver­band um den Kopf. Er scheint etwas zu bewa­chen und sehr vor­sichtig zu sein. Ich sehe in dieser Inter­pre­ta­tion der Karte „Stärke” (so ihr Unter­titel) immer einen Hin­weis darauf, dass jetzt die Zeit ist, mit den eigenen Feuer-Res­sourcen, also mit dem Tem­pe­ra­ment und der Energie, umsichtig umzu­gehen. Sie zu bän­digen und zu bün­deln Als 9 und somit letzte ein­stel­lige Zahle, ist sie außerdem ein Hin­weis, dass das Thema bald abge­schlossen ist. End­spurt ist ange­sagt, auch wenns wehtut. Also Smart­phone und Internet aus und weiter im Text zur näch­sten Übung,

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